Software-Projekte im Griff - Teil I
Das Teammodell des MSF
Beim Teammodell des MSF handelt es sich nicht um ein Organigramm. Stattdessen werden sechs Rollen definiert, die den Hauptverantwortungsbereichen innerhalb eines IT-Projektes entsprechen. Die Besetzung der Rollen mit Personen, sowie die möglichen Kombinationen von Rollen, beschreibt das MSF getrennt von der Beschreibung der Teamrollen. Beim Teammodell des MSF handelt es sich um ein sogenannte "Team of Peers"-Modell, was mit "Team gleichberechtigter Partner" nur ungenügend übersetzt werden kann. Wie gesagt handelt es sich nicht um ein Organigramm, das heißt: wer wessen Vorgesetzter ist wird nicht durch das Teammodell festgelegt. Stattdessen legt das Teammodell eine Verteilung der Verantwortlichkeit für die gemeinsame Sache (das Projekt) fest und regelt die Zusammenarbeit innerhalb eines kleinen Teams mit multidisziplinären Rollen.
An dieser Stelle ist übrigens in den MSF-Kursen regelmäßig die lauteste Kritik zu hören. Wie kann Verantwortung geteilt werden, wer kriegt denn nun den Kopf gewaschen, wer wird gefeuert, wenn das Projekt nicht den gewünschten Erfolg hat oder gar scheitert? Die Antwort des MSF ist so verblüffend einfach, wie die Frage das bisher falsche Verständnis von Projektmanagement offenbart. Die Antwort des MSF lautet: Niemand wird gefeuert! Wieso auch - wir planen für den Erfolg und nicht für das Scheitern. Meiner Meinung nach beinhaltet diese Antwort des MSF übrigens den entscheidenden Kritikpunkt an dem VerwaltungsOverhead, den andere Prozessmodelle produzieren: So dient die Mehrzahl der Dokumente im V-Modell lediglich der Entschuldigung des Erstellers für den Fall, dass das Projekt scheitert. Mit Hilfe dieser Dokumente wird ausschließlich das persönliche Risikomanagement von Menschen gefördert, die nicht bereit sind, Verantwortung für das Gelingen zu übernehmen. Wer aber nicht Verantwortung für den Erfolg übernimmt, ist automatisch für den Misserfolg mitverantwortlich.
So ist eines der wichtigsten Prinzipien des MSF-Teammodells die "Ermächtigung" des Projektteams. Das heißt, das Projektteam hat die Macht, im Rahmen der Beschränkungen des Projektes (Budget, Zeitplan, Featureliste) alle wichtigen Entscheidungen selbst zu treffen. Nur so kann Verantwortung übernommen werden. Wie könnte ein Mitarbeiter Verantwortung übernehmen, wenn wichtige Entscheidungen bezüglich der Rahmenbedingungen von außen diktiert würden? Ein weiteres wichtiges Prinzip ist die sogenannte "Shared Project Vision". Dabei geht es nicht so sehr darum, T-Shirts mit einem Projektslogan zu drucken (obwohl dies hin und wieder keine schlechte Idee sein mag). Es geht vielmehr darum, dass alle Projektbeteiligten (Team und Kunde) die Ziele und Maßgaben des Projektes in gleicher Weise verstehen. So werden unterschiedliche und sich widersprechende Visionen vermieden. Statt dessen wird ein Konsens darüber hergestellt, was das Projekt erreichen soll, warum es durchgeführt wird und innerhalb welcher Grenzen und Schranken sich das Projektteam frei bewegen kann.
Daneben gibt es weitere wichtige Prinzipien. Zum Beispiel betrachtet das MSF das Ziel eines jeden Projekts als Produkt. So wird das Team auf die Produktion statt auf den Prozess fokussiert und die Identifikation der einzelnen Teammitglieder mit dem Endergebnis verstärkt. Besonders aber wird so der Gedanke eines gemeinsam zu schaffenden Ganzen gegenüber den Teilaufgaben der einzelnen Teammitglieder in den Vordergrund gerückt. Zero-Defect (Fokussierung auf höchste Qualität), Kundenorientierung und Lernbereitschaft jedes Einzelnen sind weitere allgemein anerkannte Prinzipien, die das MSF durch sein Teammodell fördert und verstärkt.
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